Das Übersetzen von Sakura Sadist

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Ach ja, wie sonst auch alles in meinen Leben, welches ich früher oder später ernst nahm und Zeit darin investierte, fing es mit einen Witz an. Ein Kumpel schickte mir einen Link zu einem Humble Bundle der Sakura Visual Novels, ich kaufe es mir aus Spaß und um den ganzen noch die Krone aufzusetzen, nehme ich den Anfang auf und lade es auf YouTube hoch. Aber selbstverständlich kann ich es nicht einfach so aufnehmen und habe deshalb beschlossen alles im Vorhinein zu übersetzen, damit ich für fünf Sekunden den Anschein erwecke, ich könnte so gut live übersetzen, bevor man schließlich auf die Idee kommt, dass ich es vorher übersetzt habe. Das und man muss nicht mein gebrochenes Englisch ertragen… ich tue euch allen ein Gefallen.

Als Fortsetzung des Witzes nehme ich den Rest der Visual Novel nun mit zwei anderen Freunden auf und habe infolge dessen weitere Teile übersetzt und plane dies auch bis zum Ende durchzuziehen. Technisch gesehen keine 100% Übersetzung, aber zumindest die eine Route, welche wir spielen. Über die Zeit habe ich ein wenig Erfahrung gesammelt und möchte diese gerne hier mit der Welt (maximal zwei Personen) teilen.

Vorab, für die, welche mich nicht kennen und irgendwie auf diesen Post gelandet sind: Ich bin kein professioneller Übersetzer, noch habe ich jemals an irgendwelchen Übersetzungen gearbeitet, egal ob im Fan-Bereich oder sonst was. Ich habe diese Übersetzung aus Spaß angefangen, werde sie aus Spaß beenden und in keiner Form (Außer den Videos auf YouTube) veröffentlichen. Einerseits, weil ich die Übersetzung nicht zu einen Grad überarbeitet habe, dass ich dies mit guten Gewissen machen könnte und zweitens, weil es, glaube ich, nicht mal ganz legal wäre.

Und nun zum eigentlichen Post. Zu diesem Zeitpunkt (Stand Folge 7) habe ich bereits ungefähr 24.801 Wörter übersetzt… bzw. in 24.801 Wörter, welches irgendwo bei über 3/4 der gesamten Visual Novel liegen sollte. Benötigte Zeit: ca. 50 Stunden. Übersetzen ist ein ziemlich zeitintensiver Aufwand. Zugegeben, ich mache es mir eventuell schwerer als ich müsste, aber dazu später. Gleichzeitig bin ich aber bereits ziemlich stolz auf die Menge meiner Arbeit. Ich meine, es ist quasi die Hälfte eines kurzen Buches, welches ich hier übersetzt habe.

Bevor auch nur ein einziges Wort übersetzt wird

Eine Schwierigkeit, welche ich bewältigen musste, war nicht einmal die eigentliche Übersetzung, sondern wie sie entsteht. Sakura Sadist ist kein Buch, dessen Text frei zugänglich ist und erneut in Buchform wiedergegeben werden kann, sondern ein Spiel, bzw. eine Visual Novel. An den eigentlichen Text zu kommen ist dabei nicht mal unbedingt das große Problem. Unabhängig von der Übersetzung habe ich das Spiel bereits dekompiliert (definitiv nicht legal), um erfolglos an CGs und Sprites zu kommen. Dabei kam aber die eigentliche .rpy zum Vorschein, welche das gesamte Script enthält. Die Frage ist nur, was ich damit anfangen sollte.

Das Script beinhaltet nämlich nicht nur sämtlichen Dialog, sondern auch alle Anweisungen für das Spiel, also welche Musik für welche Szene spielen soll, das Anzeigen und Animieren von Sprites, als auch das Handhaben von Pfaden und Variablen. Folglich ist diese Datei zwar lesbar, aber nicht wirklich optimal, wenn man nur den eigentlichen Text haben will. Fun Fact: Es gibt eine Variable namens notgrumpy_azu, welche standardmäßig auf off gesetzt ist und ich beim besten Willen nicht verstehe, was diese Variable bewirkt, besonders weil sich Azusa nie besonders mürrisch verhält.

Allerdings wäre es keine Unmöglichkeit gewesen durch die Datei zu gehen und sämtliche Dialoge in eine separate Datei zu kopieren. Einziges Problem dabei wäre, dass ich nicht wüsste was ich übersetzen muss, oder generell eine Ahnung hätte, was überhaupt im Spiel passiert. Wie gesagt, es ist kein Buch. Eine weitere Sache, auch wenn der Gedanke mir erst vor kurzem kam, ist dass ich im Besitz einer Datei wäre, welche ich ohne Probleme durch Programme wie DeepL oder Google Translate jagen hätte können… welches definitiv zu einem Resultat geführt hätte. Nicht falsch verstehen, DeepL ist eine enorme Hilfe und erzeugt manchmal bessere Sätze als ich je könnte (später mehr dazu), aber sollte Machine Translation nur ein Werkzeug für den Übersetzer sein, nie aber die eigentliche Arbeit abnehmen. Es gibt genügend Beispiele, warum man den Menschen nicht aus der Gleichung raus ziehen sollte und die Gründe für Machine Translation in offiziellen Produkten sind ebenfalls fragwürdig. Betrifft irgendwas davon meine Übersetzung? Nein, aber Professionals have STANDARDS und ich lege Wert darauf Sachen richtig anzugehen.

Worauf ich mich letztlich geeinigt habe, ist dass ich das Spiel spiele und währenddessen alles übersetze, welches für unseren Playthrough wichtig ist. Würde ich damit beauftragt werden etwas zu übersetzen, wäre mein erster Schritt sowieso es erst einmal im voraus durchzulesen/spielen, einfach damit ich ein Gefühl für das Werk bekomme und auch inhaltlich mir alles bewusst wird. Beim Spielen fällt mir auch alles auf, welches den Leser nicht durch Text kommuniziert wird, wie zum Beispiel die Musik, Sprites, etc, welche so Sachen wie Atmosphere und Stimmungen von Charakteren verdeutlichen. Würde ich Sakura Sadist nur anhand des Textes übersetzen, wären mir eine Menge kleinerer Fehler unterlaufen, welche in der Aufnahme merkwürdig erscheinen würden.

Das Letzte, worauf ich mich einigen musste, war in welcher Form die Übersetzung vorliegen wird. Optimal wäre es natürlich, wenn die deutsche Übersetzung normal im Spiel angezeigt wird. Dies ist nicht, was passierte. Beim Dekompilieren bin ich ebenfalls auf die Datei für die chinesische Übersetzung gestoßen, welche ich umschreiben hätte können. Problem dabei ist nur, dass ich Sakura Sadist neu kompilieren hätte müssen. Hätte ich es mit etwas Zeit und Nachforschung geschafft? Bestimmt, aber wäre es ein regelmäßiger Aufwand und ist es, wie die Dekompilierung, gegen ein paar Nutzungsbedingungen. Außerdem hätte ich mir ab diesen Punkt auch einfach Ren’Py besorgen und den Übersetzungs-Assistenten benutzen können, dessen Aufwand ich mir einfach nicht machen wollte. Wenn ich fertig bin, wäre wahrscheinlich ein Translation-Patch ideal, aber wie bereits gesagt, wird das nicht passieren.

Womit ich letzten Endes übrig geblieben bin, ist aber auch alles andere als perfekt. Mein Übersetzungs-Setup sieht folgendermaßen aus: Ich öffne normal Sakura Sadist und spiele es. Währenddessen habe ich in einen Fenster unter dem Spiel (Linux’s Option Fenster immer im Vordergrund zu haben ist ein Segen) ein LibreOffice Dokument, welches für jede Szene eine Tabelle mit zwei Zeilen besitzt. Die erste Zeile sagt an, welcher Charakter spricht und in der zweiten steht die deutsche Übersetzung. An sich alles in Ordnung, nur kann ich nicht wirklich meinen zweiten Monitor benutzen, da ich beide Fenster quasi im selben Sichtfeld brauche um effektiv zu schreiben… dies führt nur leider dazu, dass ich kaum fünf Zeilen im Dokument gleichzeitig sehe, weil der Rest vom Spiel überdeckt ist. Ich meine, es funktioniert, aber könnte ich die Fenster vertikal anordnen, würde es deutlich angenehmer sein. Dazu kommt der, zugegeben, verkraftbare Overhead vom Tabellen erstellen und immer den richtigen Sprecher angeben. Am Ende exportiere ich alles als .pdf, welche in der Aufnahme im Hintergrund offen ist und dies wäre dann die fertig Übersetzung.

In Hindsight hätte ich vielleicht Gebrauch von einen Tool wie VNTranslationTools machen sollen, allerdings habe ich es bei meinem Versuch nicht einmal geschafft das Script zu extrahieren und danach nicht weiter probiert. Außerdem, selbes “Problem”, wie einfach die chinesische Übersetzung anzupassen.

Übersetzen ist schwer

Okay, here is the thing: Egal wie gut mein Englisch ist, mein Deutsch ist eine Katastrophe. Ihr habt den Post bis hierher gelesen. Ich bin es mir bewusst. Ein selten bedachter Aspekt beim Übersetzen ist, dass der Übersetzer ebenfalls gut in der Zielsprache sein muss. Vertraut mir, dass Problem ist nicht, dass ich nachschauen muss was “demure” bedeutet, sondern wie ich

I do want you to be more responsible, but taking on extra jobs when you already have a large backlog of work to do is the exact opposite of that!

in einen ordentlichen deutschen Satz verwandel. Hier sind ein paar Vorschläge:

  • Ich will, dass du verantwortlicher wirst, aber einen Nebenjob anzunehmen, wenn du sowieso bereits alle Hände voll zu tun hast, ist das genaue Gegenteil davon!
  • Natürlich möchte ich, dass du verantwortungsvoller wirst, aber einen weiteren Job anzufangen, wenn du bereits so viel zu tun hast, ist das genaue Gegenteil davon!
  • Ich finde es ja gut wenn du verantwortungsbewusster wirst, aber einen Nebenjob anzunehmen wenn du schon so sehr im Rückstand bist, ist das genaue Gegenteil davon!
  • Ich möchte zwar, dass du mehr Verantwortung übernimmst, aber zusätzliche Aufgaben zu übernehmen, wenn du bereits einen großen Arbeitsrückstand hast, ist das genaue Gegenteil davon!
  • Ich möchte, dass du verantwortungsbewusster bist, aber zusätzliche Arbeit anzunehmen, wenn du bereits einen großen Arbeitsrückstand zu erledigen hast, ist das genaue Gegenteil davon!

Erste Variante ist die Übersetzung, welche ich am Ende in der Aufnahme benutzt habe. Variante zwei und drei kommen von Freunden und Varianten vier und fünf sind jeweils aus DeepL und Google Translate (Sie zu Du geändert). Die letzten beiden zeigen bereits großartig, wie wichtig Kontext für eine Übersetzung ist. Mari schimpft mit Azusa darüber, dass sie ihren Aufsatz noch schreiben muss und deshalb eigentlich keine Zeit für etwas anderes haben sollte. Neben den wunderbaren Begriff “Arbeitsrückstand”, wirken beide Varianten ein wenig zu formal und nicht wie etwas, welches zwischen zwei Freunden gesagt wird.

Der Satz kann so ziemlich in fünf Teile runter gebrochen werden: I do want you | to be more responsible | but taking on extra jobs | when you already have a large backlog of work to do | is the exact opposite of that!

Beim ersten Teil zeigt sich mal wieder, wie ungern ich teilweise von der gleichen Wortwahl abweiche, auch wenn “Natürlich möchte ich” und “Ich finde es ja gut” deutlich nach natürlicherer Sprache klingen, als ein direktes “Ich will”.

Der zweite Teil zeigt wie vielfältig “to be responsible” im Deutschen ausgedrückt werden kann. Neben “verantwortlicher” (Klingt irgendwie komisch, um ehrlich zu sein), “verantwortungsvoller” und “verantwortungsbewusster”, gäbe es noch “pflichtbewusster” oder vielleicht auf den Kontext zugeschnitten “zuverlässiger”, ganz geschweige vom “Verantwortung übernehmen”. Hier hätte ich nicht einmal einen Favoriten, da alles irgendwie gut passt und untereinander austauschbar wäre.

Der dritte Teil ist nicht besonders interessant, da hier erneut Kontext eine große Rolle spielt. Beim “jobs” handelt es sich hier um einen Neben-/Teilzeitjob, wobei ich aber auch ein Fan vom “zusätzliche Arbeit über/annehmen” der maschinellen Übersetzung bin, da sie weniger spezifisch gehalten ist und somit nicht so klingt, als würde man die Worte des Gesprächspartners kopieren, wenn es beim Gespräch nicht exakt um den Nebenjob geht, sondern um die zusätzliche Arbeit.

Der vierte Teil ist wieder vielfältiger und geht letztlich darum, wie man etwas beschreibt, wenn man beschäftigt ist. Ich mag wirklich meine Variante mit “Alle Hände voll zu tun haben”. Deutsch besitzt erstaunlich viele Idiome, welche weder zu casual oder alt klingen und “Alle Hände voll zu tun haben” kann ich absolut von Mari kommen sehen. “Im Rückstand sein” ist auch gut, aber finde ich es wie “bereits so viel zu tun haben” ein wenig flavorless… aber immer noch um Welten besser als “einen großen Arbeitsrückstand [zu erledigen] haben”.

Zuletzt kommt der fünfte Teil, welcher überraschenderweise bei allen gleich ist… huh. Manche Sachen sind doch recht klar zu übersetzen.

Die Herausforderung ist nun alle diesen Komponenten zu einen Satz zu binden, welcher auch richtig klingt und nicht nur auf technischer Ebene richtig übersetzt ist. Dies ist einer meiner Gründe, warum ich diese Übersetzung in ihrer jetzigen Form nicht veröffentlichen würde, weil ich quasi über jeden einzelnen Satz gehen muss und sicherstellen, dass sie einen vernünftigen Lesefluss haben und dass keine einzelne Line komisch heraussticht. Dies ist garantiert der Punkt, wo meine Deutschkompetenz mir in den Rücken fällt und ich mir sicher bin, dass viele Leute ein besseres Ergebnis abliefern könnten.

Ein ähnliches Problem hatte ich mit Sätzen, dessen Struktur umgeändert werden musste. Ignorieren wir für’s erste Sätze, wo um ein Wort “herumgesprochen” wird, oder welche gar nicht voll ausgeschrieben werden und fokussieren uns zum Beispiel auf

She’s not wrong, of course.

Dieses Beispiel ist noch ziemlich einfach, da der Satz von der Struktur her im Deutschen nicht einmal funktionieren würde und man das “of course” direkt in den Satz einbinden muss, entweder an den Anfang als “Selbstverständlich hat sie nicht unrecht”, oder in der Mitte mit “Sie hat natürlich nicht unrecht”. Schade ist nur, dass dieser “Bruch” im Satz nicht mehr vorhanden ist, wodurch das “of course” nicht mehr von der Struktur des Satzes betont wird und stattdessen nur ein normaler Teil des Satzes wird. Ein weiteres Beispiel ist

Mari’s kind of like an old woman in that regard.

, welches man technisch als “Mari ist wie eine Frau, diesbezüglich” übersetzen könnte, es aber deutlich besser klingt, wenn man das “in that regard” wie beim ersten Beispiel entweder an den Satzanfang, oder mitten im Satz packt, also “Mari ist diesbezüglich wie eine alte Frau”.

Das letzte Beispiel sind Sätze, wo beide Satzhälften frei miteinander austauschbar sind. Für

If you must know, Venus sent me a message yesterday! (Finde gerade kein besseres Beispiel)

kann man es genauso gut bei “Wenn du es wissen musst, Venus hat mir gestern eine Nachricht gesendet!” belassen, als auch “Venus hat mir gestern eine Nachricht gesendet, falls du es [unbedingt] wissen musst!” sagen. Hier entscheide ich einfach nach Gefühl, besonders wenn die Reihenfolge keinen Einfluss auf Bedeutung hat. Technisch gesehen gibt es noch Sätze wie

Sometimes, I wonder why we’re even friends.

, welche weniger strukturell geändert werden, als dass eher die Satzzeichen im Deutschen an einer anderen Stelle stehen. Somit wird das “Sometimes” ins “I wonder why” absorbiert und dadurch zu “Manchmal frage ich mich, warum wir überhaupt Freunde sind.” oder “Ich frage mich manchmal, warum wir überhaupt Freunde sind.”

Dies sind so ziemlich die größten Schwierigkeiten, welche ich mit der Übersetzung hatte. Hin und wieder gibt es Sätze, welche auf den Eigenheiten der englischen Sprache aufbauen, wie zum Beispiel Wortspiele, aber nichts, welches mich regelmäßig zum Stillstand brachte. So langsam verstehe ich, warum wir im Englischunterricht nie die Aufgabe hatten etwas primär zu übersetzen, weil der eigentliche Übersetzungsteil fast trivial erscheint, erst recht wenn man ein Wörterbuch zur Hand hat.

Selbstverständlich ist es manchmal eine Kunst das passende Adjektiv zu finden, wenn es keine direkte Übersetzung gibt, aber 95% der Zeit fühlt sich das Übersetzen kaum wie Arbeit an, weil *In harten britischen Akzent* meine English Comprehension mir keine Probleme bereitet und ich seit Jahren verschiedenste Medien auf englisch konsumiere. Französisch wäre eine andere Sache, aber Englisch ist für mich nun wirklich keine Herausforderung mehr.

Was schon eher ein Problem darstellt, bin ich. Ich habe einen Schreibstil. Keinen guten, aber er existiert und ich habe mich öfters dabei erwischt, wie ich Sätzen meinen eigenen Stil aufdränge, sei es in Form von zusätzlichen Füllwörtern, oder sonst etwas. Ich erkenne es zwar recht schnell und schreibe diesen schnell um, aber bleibt dennoch ein mulmiges Gefühl, wobei dies eher zum Thema Sakura Sadist als Spiel und nicht zu dessen Übersetzung gehört.

Bezüglich der H-Szenen bin ich froh, dass ich diese nicht übersetzen muss. Nicht weil es mir unangenehm wäre, sondern weil Deutsch eine denkbar schlechte Sprache für solchen Inhalt ist. Man muss sich nur einmal die Startseite auf PornHub dafür anschauen. Let’s keep sex english.

Lokalisierung vs. Übersetzung

Die Sakura Visual Novels sind schon eine komisches Bestie, weil sie so geschrieben sind, als wäre die Ursprungssprache japanisch und deshalb besitzen sie auch Merkwürdigkeiten, welche man sonst eher in Übersetzungen aus Anime und Manga sieht. Dies ist bei weitem keine Kritik, sondern eher eine Referenz darauf, wer die Zielgruppe ist. Es wundert mich schon fast, dass Mamiko überhaupt als “Upperclassmen” und nicht als “Senpai” beschrieben wurde.

Lokalisierung ist ein oft übersehender und gewollt unsichtbarer Aspekt einer Übersetzung. Es ist eine Sache, einen Satz zu übersetzen und eine andere ihn für eine unterschiedliche Gruppe Sinn machen zu lassen. Ich will nicht wirklich das Thema groß aufgreifen, vor allem weil es ein Post für sich selbst ist, aber bin ich manchmal von den Herangehensweisen von sowohl offiziellen Übersetzungen, als auch Fan-Translations, abgeneigt, wobei man aber sagen muss, dass dies die reinste Form eines Bias ist. Meine Muttersprache ist deutsch und habe ich genügend Anime gesehen um zu wissen, welches manche Sachen bedeuten.

Zum Glück gibt es von diesen Aspekt nicht besonders viel in Sakura Sadist zu erzählen, weder von der pseudo-japanisch-englisch Seite, noch der englisch-deutsch Seite. Es werden keine japanischen Begriffe benutzt, es gib keine Suffixe (-san, -sama, -chan) oder Titel (-sensei) und auch die Frage mit welchen Namen sich Charaktere ansprechen, muss sich nicht gestellt werden, da alle auf first-name basis sind. Meine größte Änderung, neben den Konvertieren in metrischen Einheiten und ein 24-Stunden Format für Zeit, ist das Vertauschen des Familien- und Vornamens. Da die Charaktere sich sowieso beim Vornamen nennen, hat es quasi keinen Einfluss auf irgendetwas und da es für einen Großteil der westlichen Welt normal ist zuerst den Vornamen und dann den Nachnamen zu nennen, kommt es zu keiner Verwirrung, wenn ein Charakter mal beim vollen Namen genannt wird.

Wirklich interessant wird es in diesen Thema erst bei den Dialogen, denn jeder Charakter besitzt quasi seine eigene Sprache. Azusa ist direkt, spielerisch und kümmert sich nicht was andere von ihr denken. Mari ist stattdessen eher zurückhaltend, fromm und vorsichtig mit ihren Worten. Mamiko versucht besonders damenhaft, vornehm und freundlich zu wirken und Professor Shibata ist eingebildet, pretentious und recht passiv-aggressiv gegenüber Azusa. Dies alles gilt es in der Übersetzung zu betrachten. Technisch gesehen wäre jede Übersetzung richtig, aber passt sie nicht immer zu jeden Charakter. Am einfachsten lässt sich dies sogar mithilfe von Alignment-Charts demonstrieren. Welcher dieser Charaktere würde “Fuck!” sagen? Azusa garantiert und Mari garantiert nicht. Mamiko? Vielleicht, aber definitiv nicht, während sie ihr nettes Persona spielt. Professor Shibata ist zu alt dafür, könnte aber, wenn es darauf ankommt.

Schauen wir uns einmal den Ausdruck “Shut up!” an. Würde man es zum Beispiel direkt in DeepL eingeben, erhält man “Halt die Klappe!”, welches zu Azusa passen würde. In Sakura Sadist ist es aber Mari, welche das “Shut Up!” von sich gibt. Wenn man dann auch noch bedenkt, dass sie es zu Azusa sagt, wirkt “Halt die Klappe!” viel zu aggressiv. “Sei Still!” hingegen klingt viel zu formal und wie ein Befehl, also etwas, welches eher von Professor Shibata kommen könnte. Nur “Klappe!” wäre auch eine Option, doch klingt “Klappe” ein wenig zu casual für Mari. “Halt den Mund!” geht schon eher in die richtige Richtung, wobei es immer noch zu lang klingt, weshalb ich es letztlich auf “Mund halten!” gekürzt habe. Wortwahl ist wichtig und man sollte Gebrauch davon nehmen, was in diesen Fall die deutsche Sprache zu bieten hat.

Eine weitere Sache, welche es im Englischen gar nicht gibt, ist die Unterscheidung zwischen Duzen und Siezen. Hier gibt es aber nicht wirklich viel zu besprechen. Normalerweise duzen sich die Charaktere untereinander, außer es wird aus Spaß extra förmlich gesprochen. Ausnahme davon sind Gespräche mit Professor Shibata, welches selbsterklärend ist, und die Szene(n), wo sich Azusa als Mamikos Dienerin ausgeben darf. Letzteres ist eine Entscheidung, welche man diskutieren kann, aber für mich machte es in diesen Szenen Sinn Azusa Mamiko zu siezen.

Das letzte zu erwähnende Thema sind Wörter, welche ich nicht übersetze. Am Anfang wollte ich nicht einmal “Panties” übersetzen, einfach weil Höschen merkwürdig klingt. Es ist kein Wort, welches normalerweise benutzt wird, zumindest habe ich es noch nie jemanden sagen hören und definitiv nicht anstelle von “Unterwäsche”. Höschen, Höschen, Höschen. Es trägt auch nicht die selbe Konnotation mit sich. Panties sind potentiell sexy, weil man sie eigentlich nicht sehen sollte. Höschen klingt hingegen so unschuldig und das verniedlichende “-chen” macht es auch nicht besser. Ich habe mich am Ende aber doch dafür entschieden, eben weil es noch eine relativ direkte Übersetzung ist.

Was ist mit “Thighs”? Ich meine, sure, (Ober-)Schenkel ist technisch gesehen der richtige Begriff, aber verfehlt er für mich im Kontext von Sakura Sadist komplett das Ziel. Nicht nur muss man in den meisten Fällen spezifizieren, dass mit Schenkel der Oberschenkel gemeint ist, sondern klingt der Begriff so anatomisch und entfremdet von “Thighs”. Wenn ich Oberschenkel höre, ist meine erste Assoziation eine Metzgerin, welche einem ‘ne 3Kg Schweinekeule auf die Hand drückt, dicht gefolgt von diesen einen Moment aus Spongebob, wo eine Bodybuilder random “Oberschenkelmuskeln” sagt.

Als letztes gibt es noch den Begriff “Maid”. In diesen Fall wäre die Übersetzung als Magd oder Zofe sogar irreführend bis falsch. Mit Maids sind explizit die Bedienerinnen im Maid Café gemeint. Der Begriff Zofe entspricht einem anderen Bild. Außerdem kann man hier besonders gut die Zielgruppe (Meine Freunde) bedenken. Man weiß, was eine Maid ist. Dieser Begriff bedarf keiner Übersetzung.

Technisch gibt es noch einige Sachen, welche ich aus Spaß “zurück”-übersetzen wollte, aber am Ende doch gelassen habe, wobei es einer Person nicht davon abgehalten halt zu “Oh my” trotzdem “Ara Ara” zu sagen. Allgemein wurden in der Aufnahme manche Sachen einfach geadlipped. Einige Entscheidungen wie Venus’ schweizer Akzent kamen aus den nichts und wir einigten uns einfach darauf, dass wir es so weitermachen. Um ein wenig pretentious zu wirken: Übersetzen ist ein dynamischer Prozess :D.

Gedanken über Sakura Sadist und Ausblick

Ich will ehrlich sein, auch wenn es keine Überraschung sein sollte: Sakura Sadist ist Trash. Es ist Visual Novel Fastfood. Nicht besonders gut, aber hey, es ist was auf der Verpackung versprochen wurde. Was mich am meisten stört, ist wie gestreckt der Inhalt sich anfühlt. Die Hälfte der Zeit besteht aus Konversationen zwischen Azusa und Mari, welche darum gehen, dass Azusa was dummes gemacht hat. Ich habe es bereits nach dem ersten mal verstanden, können wir endlich zum Sadismus-Teil kommen? Darüber hinaus ist die Prosa so unerträglich öde und schlecht geschrieben. Da ist kein Flair, kein Funken, kein Stil. If my Heart had Wings' Prosa mag vielleicht effektiver sein als eine Überdosis Baldriparan®, aber zumindest liest es sich in Ordnung. Dies meinte ich mit meinen eigenen Stil in der Übersetzung hinzufügen, denn dann würde es zumindest nach irgendetwas klingen.

Dies ist letzten Endes auch der Grund, warum ich mir nicht alle Mühe der Welt mache. Es lohnt sich einfach nicht. Sakura Sadist ist nichts, worauf ich zurückblicken werde und stolz auf mich sein muss. Dies ist kein Projekt, welches aus Leidenschaft entstanden ist… it’s literally a joke. Das ganze würde anders aussehen, würde ich mir vornehmen das originale Tsukihime oder Doki Doki Literature Club zu übersetzen. Nach der Erfahrung mit Sakura Sadist, wäre ich sogar daran interessiert einen Manga oder ähnliches zu übersetzen, wobei mir da aber wohl eher die Japanisch-Kenntnisse fehlen.

Nichtsdestotrotz, auch wenn meine Arbeit streng genommen nicht besonders gut ist, muss ich zugeben, dass ich eine Menge Erfahrung gesammelt habe, auch wenn sie wahrscheinlich null mit tatsächlich professionellen Übersetzen übereinstimmt. Zumindest habe ich eine Menge über Unterwäsche gelernt und herausgefunden, dass ich gar nicht mal so schlecht im CGs bearbeiten bin.

Sakura Sadist ist verfügbar auf Steam und eine “charmante” Synchronisation auf meinem Zweitkanal.


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