Jeder kann eine Prinzessin sein! – Go! Princess Precure
*Spoiler für Go! Princess Precure*
Ach ja, Haruka Haruno hat einen Traum. Seit sie ein kleines Kind war, wünscht sie sich nichts Geringeres, als eine Prinzessin zu sein und auch wenn dieser Wunsch, mit ihrer Verwandlung in Cure Flora am Ende der ersten Folge, in einer gewissen Art in Erfüllung geht, ist es interessant, wie sie selber mit dieser Verwandlung umgeht, als auch wie dieser ursprüngliche Gedanke auf die unterschiedlichsten Weise von anderen Charakteren aufgenommen, kommentiert und angefochten wird und es ist jener thematischer Konflikt, welcher sowohl Haruka, als auch Go! Princess Precure an sich, Tiefe gibt.
Zugegeben, mit Ausnahme ihrer Haarkrone, wirkt Haruka auf den ersten Blick nicht wie das Mädchen, welches einen in den Kopf kommt, wenn man das Wort “Prinzessin” hört. Spätestens hier sollte angemerkt werden, dass es sich beim Begriff “Prinzessin” nicht um den tatsächlichen politischen Titel handelt, sondern eher um die Darstellung, welches man aus Geschichten und so weiter kennt. Also denkt euch weniger Barbie - Die Prinzessinnen-Akademie und mehr Barbie in: Der Nussknacker.
Für die meisten Charaktere wirkt Haruka grundlegend zu schlicht, einfach und vor allem teilweise komplett fehl am Platz, um als Prinzessin gelesen zu werden. Auch wenn es scheinbar keine Einschränkungen gibt, wer Noble Academy besuchen darf, genießen die meisten Schülerinnen und Schüler offensichtlich einen relativ hohen sozialen Status, während Haruka aus einer alten umfunktionierten Poststadt kommt, in welcher ihre Eltern einen Laden mit japanischen Süßigkeiten führen und sich die Schule so ziemlich aus rein ästhetischen Gründen ausgesucht hat. Es wird ebenfalls mehrfach explizit erwähnt, wie sie aus dem Personenkreis, welcher sich aus ihre Freundinnen und anderen Precures bildet, seltsam heraussticht. Minami besitzt aufgrund ihres eleganten Auftretens und Tätigkeiten als Schülersprecherin den Spitznamen “Prinzessin der Schule”, viele Schülerinnen schauen zu Kirara hinauf, weil diese bereits trotz ihres jungen Alters eine erfolgreiche Karriere als Model hinlegt und Towa ist wortwörtlich die Prinzessin des märchenhaften Hope Kingdoms. Verglichen mit den anderen drei Cures wirkt Haruka einfach nicht, wie was man üblicherweise als Prinzessinen-Material ansieht, obwohl sie sich dessen jegliche Mühe gibt.
Harukas Vorstellung einer Prinzessin kommt größtenteils aus zwei verschiedenen Quellen. Die erste ist das Bilderbuch, welches sie als Kind gelesen hat, während der endgültige Stoß ihren Traum zu verfolgen von Kanata ausgeht. Die Geschichte des Bilderbuches selbst ist dabei relativ uninteressant – denkt euch ein ziemlich generisches Märchen vor – und stellt es in erster Linie inhaltlich eine Parallele zum Finale her. Der tatsächlich wichtige Aspekt des Bilderbuches liegt darin, dass die Geschichte unvollständig ist. Der Zuschauer erfährt zu einen späteren Zeitpunkt, dass die Autorin zwar ein Ende geplant, sich aber explizit gegen eines entschieden hat, als sie die verschiedensten Reaktionen der Kinder auf die Geschichte las und sich letzten Endes damit zufrieden gibt, dass ihre Idee der Geschichte nur eine von vielen möglichen Zukünften der titelgebenden Prinzessin ist und jeder Leser folglich eine andere Version und Auffassung dieser im Kopf hat.
Haruka ist da selbstverständlich keine Ausnahme und auch wenn sie selber sagt, dass sie wie die Prinzessin aus dem Bilderbuch werden will, geht sie ironischer Weise ihren eigenen Weg, weil ihre Vorstellung der Prinzessin ebenfalls die gleiche ist, welche sie für ihre eigene Zukunft bestimmt und am Ende der Serie schließlich zu einer Grand Princess macht; Stichwort: Hoffnung, Stärke, Anmut und Schönheit. Es ist genau diese Idee, dass man sich das Konzept der Prinzessin selber zurechtlegen muss, an welcher Haruka wächst und es ist deutlich effektiver, als würde man nur die Rolle einer idealisierten Form hinterherlaufen und imitieren, selbst wenn nicht jeder dieser eigenen Idee zustimmt.
Auch wenn die meisten Charaktere Haruka ihren Wunsch, eine Prinzessin zu sein, auf den ersten Blick nicht ansehen würden, gibt es, mit Ausnahme der wiederkehrenden Antagonisten, kaum jemanden, welcher ihr dies in einer oder anderen Weise direkt ausreden wolle. Da gibt zwar einmal Kimimaro, welcher generell Haruka hinterfragt, was sie an einem ihr so “fremden” Ort macht, allerdings ist seine Meinung sowieso vollkommen irrelevant, weil er wortwörtlich den hier macht: ¯\_( ̄^ ̄ ).
Interessanter wird es aber bei Yuuki. Yuuki war eines der Kinder, welche sich über Haruka lustig gemacht haben, als sie noch klein waren. Als sie beide nach vielen Jahren in Noble Academy wieder aufeinander treffen, fragt Yuuki, ob Haruka immer noch so von Prinzessinnen besessen sei. Mir gefällt tatsächlich das Stückchen Self-Awareness von Harukas Seite, welche sie in diesen Moment am Tag legt. Selbst sie versteht, dass es einen großen Unterschied zwischen einem kleinen Kind, welches eine Prinzessin werden will gibt und einen inzwischen 14-jährigen Mädchens, welches immer noch davon träumt. Es wird nicht das erste Mal sein, dass ihr Hintergrund des Prinzessinnenseins in Frage gestellt wird, als auch wie sie jenes für sich selber definiert.
Als Yuuki hingegen eine Folge dann selber Opfer eines der Zetsuborgs und von Haruka gerettet wird, muss er am Ende feststellen, dass der Gedanke einer Prinzessin vielleicht doch nicht so abwegig ist und zu einen späteren Zeitpunkt sogar zugibt, dass er zu Cure Flora hinauf sieht, wobei er aber, schon fast passender Weise, offensichtlich nicht die Verbindung zu Haruka zieht. Es ist letztlich ihre Auffassung einer Prinzessin, welche dafür sorgt, dass Yuuki seine ursprüngliche Meinung zurückzieht und sogar im Herzen nachvollzieht, warum Haruka überhaupt so besessen von der Idee einer Prinzessin war. Wie sich herausstellt, können Prinzessinnen auf verschiedensten Arten unglaublich cool oder inspirierend sein und müssen nicht dem angenommen Bild einer Prinzessin entsprechen.
Generell spielt Princess Precure mit der Idee herum, was genau eine Prinzessin ist und macht. Miss Shamour ist eine der Feen aus Hope Kingdom und soll den Precures das Prinzessinnensein näher bringen und darauf vorbereiten Grand Princesses zu werden, indem sie ihnen relativ häusliche Aufgaben gibt, welche den Schein einer Prinzessin erwecken sollen. Auch hier wird wieder sehr schnell klar, dass Minami, Kirara und Co. schnell den Bogen raus haben, während Haruka selbst bei kleinen Sachen, wie Tee kochen, auf große Schwierigkeiten stößt. Besonders in der Folge, wo Make-Up thematisiert wird, zeigt sich, wie Haruka nicht einmal den scheinbar eigenen Ansprüchen der Serie, als auch der ihrer eigenen ursprünglich gedachten entspricht.
Am Ende haben Miss Shamours Lessons, mit Ausnahme die Precures in eine aktive Rolle zu versetzen, keinen wirklichen Einfluss auf den Werdegang der Precures, auch so schafft es Haruka am Ende zu einer Grand Princess zu werden und dienen diese Folgen eher der Einbindung des dazugehörige Spielzeuges, aber ich will sie dennoch erwähnen, weil sie wahrscheinlich das klassischste Bild einer Prinzessin zeichnen und wie Haruka dieses nicht unbedingt widerspiegelt, es aber dennoch schafft den Gedanken einer Prinzessin in ihrer eigenen Form herüberzubringen.
Mit erstmaliger richtiger thematischer Relevanz wird Harukas Gedanke einer Prinzessin dann von Twilight in Frage gestellt. Twilight kann, mehr wie jeder andere Charakter, eine unterschiedliche Auffassung einer Prinzessin in die Runde bringen. Für sie ist eine Prinzessin nicht etwas, welches man werden kann und sieht sie in den Precures nur Mädchen, welche versuchen ihren Teil zu spielen, ohne das etwas gezwungenermaßen dahintersteht. Sie erkennt zwar das Potential von Minami und Kirara an, aber liegt ihre stärkste Opposition offensichtlich in Haruka und versucht sie diese, quasi als Beweis dafür, dass sie im Recht liegt, an ihrer eigenen Verzweiflung zerfallen zu lassen, denn schließlich basiert Harukas Vorstellung darauf, eine Prinzessin zu sein, an ihren Glauben, dass sie ihren Wunsch aus eigenen Kräften in Erfüllung bringen kann.
Der Gedanke, welcher Twilight am Ende repräsentiert ist eine feste Form, an welcher man sich halten muss, obwohl man diese, wie in ihren Fall, nur erlangt hat, als sie ihre eigenen Träume und Wünsche aufgegeben hat und somit aufhört innerlich an sich selbst zu wachsen. Es ist der Unterschied zwischen sein eigenes Herz zu verschließen und sich über Feingefühl, Würde und Eleganz zu identifizieren, anstatt über die Stärke Andere nicht zu fürchten, den Anmut Anderen zu vergeben und die innere Schönheit die Welt aufblühen zu lassen. Die Precures gewinnen letzten Endes über Twilight, weil sie sich durch den Einsatz von Haruka wieder an ihren eigenen Traum erinnert, Haruka sie aus ihrer Verzweiflung zieht und somit das Persona von Twilight zerbricht. Die Inversion von Twilight kann man am Character Arc von Towa sehen, welche sich, ähnlich wie Haruka, selber ein eigenes Bild einer Prinzessin aufbauen muss und durch diese Reise innerlich wächst, bis sie jenes Bild in sich selber verinnerlicht hat. Das es dazu aber erst kommen konnte, liegt daran, dass Towa von jenen unterstützt wird, welche ihr diese Reise ermöglichen.
Der zweite Aspekt, welcher Haruka dazu gebracht hat ihren Wunsch nachzugehen, war die Bestätigung von Kanata in einen Moment, wo sonst niemand an ihr geglaubt hat. Das Bilderbuch gab ihr zwar die grobe Vorstellung, aber es war Kanata, welcher ihr den nötigen Mut gab, diese in Angriff zu nehmen und nicht sie selbst. Dieser feine Unterschied sorgt in Haruka für enorme Selbstzweifel, wenn sie sich erneut in einer ähnlichen Situation wiederfindet und Kanata anfängt zu hinterfragen, ob es so eine gute Idee war sie auf diesen Weg und damit auch in den Konflikt rund um die Precures zu bringen, ganz nach dem Motto “Wenn einen seine Träume in Gefahr bringen, sollte man sie lieber ganz aufgeben”. Kanata geht sogar soweit, dass er Haruko anfleht, dass sie nie hätte eine Prinzessin werden sollen, etwas, welches Haruka so sehr trifft, dass sie, in klassischer Precure Manier, nicht mehr in der Lage ist sich zu verwandeln und Verzweiflung für kurze Zeit die Überhand gewinnt.
Es zwingt Haruka dazu in ihr Inneres zu schauen und nachzufragen, was ihr Traum, eine Prinzessin zu werden, eigentlich für sie bedeutet, jetzt wo sie vollkommen alleine steht. Ihre Selbsterkenntnis kommt so ziemlich in der Form ihrer bisherigen Abenteuer und den einzelnen Schlüsselpunkten, welche sie wieder in ihren Traum bestätigen und ihre Motivation von Kanata abkapseln. Ihr Wunsch ist ein Teil von ihr und sie lässt ihre Verzweiflung nicht soweit kommen diesen zu verwerfen. Es ist der letzte Schritt ihren Traum wirklich ihren eigenen zu nennen und mit diesem neu gefunden Selbstbewusstsein ist Haruka endlich in der Lage die finale Herausforderung anzugehen.
In der “Wie können wir junge Mädchen lowkey psychologisch foltern, ohne dass es zu direkt gewalttätig wirkt”-Sektion, welche eigentlich jede Kinderserie haben sollte, welche was von sich hält, wird die Dissonanz zwischen, wie andere Leute sich das Prinzessinnendasein vorstellen und Harukas letztendliche Selbstrealisation, klargestellt.
Für Haruka sind es nämlich nicht die edlen Bälle, die Teepartys, oder ein schöner Prinz, welcher für sie das Prinzessinnensein ausmachen, so sehr sie es auch genießt. Ihre magischen Kräfte machen sie vielleicht zwar zu Cure Flora, aber als eine Prinzessin sieht sie sich erst, wenn sie diese benutzt um die Träume anderer zu beschützen. Besonders als sie sich in ihren Bilderbuch wiederfindet, fühlt es sich für sie merkwürdig befremdend an, als ihr alles einfach ausgehändigt wird und sie sich nicht einmal ihren eigenen Tee einschenken darf. Besonders treffen sie die magisch wachsenden Blumen, welche nur wenige Sekunden brauchen, um zu blühen. Über den Lauf der gesamten Serie haben wir gesehen, wie Haruka sich in jeder Jahreszeit um die Blumen der Schule kümmert und auch wenn sie sich freut sie blühen zu sehen, kommt es ihr nicht unbedingt darauf an. In ihren eigenen Worten findet sie Blumen schön, weil sie als kleine Samen in der Erde anfangen, jegliches Wetter überdauern und sich wünschen zur Sonne zu wachsen, bevor sie irgendwann schöne Blüten tragen.
In diesen Sinne spiegeln die Blumen ihren eigenen Werdegang zur Prinzessin wieder. Selbst wenn sie sich in der Bilderbuchgeschichte ihrer Träume wiederfindet, ist dieser Traum für sie komplett wertlos, wenn sie selber nicht die Mühe und Arbeit reingesteckt hat, diesen selbst zu erfüllen. Sie kann nur aus eigenen Stücken eine Grand Princess werden und mit der Ablehnung dieser spezifischen Märchenwelt ist sie den letzten Schritt gegangen, um sich als solche zu verwirklichen.
Die Grand Princesses symbolisieren die jeweils realisierte Form der Precures und es ist passend, dass Haruka, welche die größten Schwierigkeiten hatte sich selbst zu definieren, die Letzte ist, welche diesen Status erreicht hat. Wichtig ist dabei, dass diese Realisation offensichtlich in deren echten Leben über geht und am Ende alle vier Mädchen weiter ihren Träumen nachgehen, selbst als sie den Mantel der Precure abgeben müssen. Minami sagt ihren Eltern, dass sie sich lieber um Meeresbewohner kümmern will, anstatt Vetternwirtschaft zu betreiben, Kirara geht nach Paris, um ihrer Karriere weiterzuverfolgen und Towa kehrt nach Hope Kingdom zurück, um wieder Freude in das Land zu bringen. In diesen Sinne gewinnt die letzte Konfrontation mit Close noch ein kleines Stückchen mehr an Bedeutung, mit der Aussage, dass man manchmal mit seiner eigenen Verzweiflung leben muss und es darum geht diese immer wieder zu überwinden, um seinen Traum näher zu kommen.
Für Haruka ist es letztlich nicht die Krone, welche jemanden zu einer Prinzessin macht, sondern der Gedanke alles dafür zu tun, um diesen Wunsch in Erfüllung zu bringen und wenn man daraus keine positive Botschaft raus ziehen kann, dann weiß ich auch nicht mehr weiter, besonders wenn man quasi jede einzelne Instanz des Wortes “Prinzessin” hier durch etwas anderes ersetzen könnte. Also, Go! Princess Precure.
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